Am 14. Februar 2019 begrüßte NetPhilTech rund ein Dutzend ForscherInnen zu einem Abendvortrag Prof. Dr. Roberto Barros (Universidade Federal do Pará. Faculdade de Filosofia. Instituto de Filosofia e ciências Humanas ) in den Räumlichkeiten der TUD. Thema des Vortrags: „Physiopsychologische Aspekte in Nietzsches Erkenntniskritik“.
Gemeinsam mit Gästen und MitgliederInnen diskutierte Prof. Barros, welche Rolle Aspekte der Triebinterpretation in der Philosophie Nietzsches spielen. Die Ausgangsüberlegung hierfür findet sich schon in den frühen Schriften Nietzsches, schildert Barros:
„Seit seinem ersten Buch ist eine physiopsychologische Sicht in der Philosophie Nietzsches anwesend. Sie zeigt sich hauptsächlich in seiner Kritik der metaphysichen Philosophie und der Wissenschaft. Trotzdem bringt sie nicht nur destruktive Aspekte mit sich, sondern beweist sich als sehr hilfreich, um die Wissensperpektive Nietzsches zu verstehen.“
Kunst wie auch Erkenntnis charakterisiert Nietzsche demnach als Wahnvorstellung, die einen Zweck der Triebe darstellen. Triebe werden durch physiopsychologische Manifestationen und Instinkte geprägt und durch den Leib vermittelt. Die Fragwürdigkeit des Intellekts als Erkenntnisapparat ergibt sich für Nietzsche demnach daraus, dass grundlegende Probleme der Wissenschaft nicht durch die Wissenschaft selbst gelöst werden können. Die Effektivität rationaler Welterklärung wird somit im Hinblick auf ihre triebhafte und instinktive Herkunft von Nietzsche kritisiert. Demgegenüber bietet er eine organische Interpretation von Erkenntnis und Kunst an.
Logik hat damit für Nietzsche eine organische Herkunft sowie einen psychologischen Stützpunkt – den Glauben an Identitäten und Kausalitäten, die helfen sich in der Welt zu orientieren. Menschliche Orientierung besitzt demnach auch keine höhere Motivation sondern entsteht aus unserem Verhältnis zur Welt in Bezug auf Lust und Unlust. Dieses Verhältnis erklärt laut Barros Nietzsche Interpretation den Ursprung von Gesetzen, Zahlen oder auch dem Glauben. Mit Nietzsches Worten:„Wir haben eben gar kein Organ für das Erkennen, für die ‚Wahrheit‘: wir ‚wissen‘ (oder glauben oder bilden uns ein) gerade so viel als es im Interesse der Menschen-Herde, der Gattung, nützlich sein mag: und selbst, was hier ‚Nützlichkeit‘ genannt wird, ist zuletzt auch nur ein Glaube, eine Einbildung und vielleicht gerade jene verhängnissvollste Dummheit, an der wir einst zu Grunde gehn.“ ( Nietzsche. FW § 534.)
Die psychophysiologische Sicht ermöglicht es somit zu verstehen, dass unser Verhältnis zur Welt ganz andere Ziele verfolgt als deren Erkenntnis.
Wir danken Prof. Barros für den Vortrag und den inspirierenden Austausch.